Kulinarisches aus Großbritannien
Manchmal scheiden sich die Geister an Englands Küche: Die einen schwärmen für die britische Ess- und Trinkkultur und die anderen halten recht wenig von alldem, was auf der Insel aufgetischt wird. Dabei war das längst nicht immer so: Interessantes bringt ein kleiner Exkurs in die Geschichte an den Tag.
Hochfeine britische Kochkunst
Luigi Federico Menabrea, seines Zeichens der Generalvertreter, außerordentlicher Botschafter und Ministre plénipotentiaire con Lettere di credito des Königreichs Italien in London lobte 1876 die Kunst der englischen Köche in höchsten Tönen. Er bejubelte die „hochfeine Kochkunst“ im britischen Empire der Queen Victoria in erster Linie wegen „viel gutem Fleisch, das auf dem Tisch zu sehen ist“. In Übereinstimmung mit dem Fleisch liebenden Italiener waren die Engländer selbst auf ihre Kochkünste stolz, zugleich betrachteten sie die französische Küche verächtlich: Sie warfen der Cuisine française Verschwendungssucht und Trickserei vor, wozu gern Berichte von Pariser Küchenmeistern herhalten mussten, die sechs Pfund gute Butter verwendeten, um ganze 12 Eier zu braten und die gute englische Hausfrau kommt dagegen mit einem halben Pfund Bratfett aus. Wohlwollende Zuneigung äußerten auch Koryphäen wie Heinrich Heine; aber dennoch wendete sich das Blatt.
Die „Enthauptung der englischen Küche“
Der britische Soziologe Stephen Mennell (* 1. Mai 1944) spricht in seiner 1988er Publikation „All Manners of Food. Eating and Taste in England and France from the Middle Ages to the Present“ recht drastisch von einer „Enthauptung der englischen Küche“. Aber was brachte den guten Mann dazu?
Der Lifestyle ist schuld: Im Verlauf des 18. Jahrhunderts liebte es Britanniens Adel bodenständig, während Frankreichs Esskultur peu à peu an Raffinement zulegte. Im Unterschied zu den Prunkschlössern im Frankreich des Louis XV lebten Englands Adlige in gediegenen Landhäusern und dieser etwas andere Lebensstil offenbarte sich auch in den Essgewohnheiten. Während Frankreichs wohlgelittene Köche an Ansehen gewannen, waren in Englands Küchen ehrliche Handwerker bei der Arbeit – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Am Ende dieser Entwicklung anerkannte man auch auf der Insel die Vorzüge kontinentaler Kochkünste, allerdings nicht ohne den gesundheitlichen Wert der einheimischen Küche zu würdigen: Großbritanniens Köche kochen gesünder – jedenfalls meistens.
Ein Toast auf Englands Küche
Allen voran in Wales und Schottland zogen ziemlich raffinierte Gewürze, ja sogar Knoblauch, immer mehr in Großbritanniens Töpfe und Pfannen ein - zugleich können Englands Köche mit Stolz auf einige kulinarische Highlights verweisen, die von der Insel aus einen Siegeszug um die ganze Welt antraten: Nein, den Toast als geröstetes Brot hatten sie nicht erfunden – wohl aber den gleichnamigen Trinkspruch, der sogar ein wenig mit Toastbrot verwandt ist.
Ein Toast lohnt sich durchaus auf die Erfindung des Chutney. Stammen diese oder jene Geschmacksnuancen wohl aus Indien, geht die Vielfalt der Rezepturen eindeutig auf das Konto der Engländer. So bestehen Chutneys jeweils auf einer Fruchtbasis, die mit Tomaten und vielen verschiedenen Gewürzen ergänzt wird. Die variantenreiche „Würzmarmelade“ passt ausgezeichnet zu Geflügel, Eiern und Fleisch.
Typischerweise zu Lamm wird Minzsoße gereicht, eine Komposition aus Minze, Zucker, Essig, Pfeffer und Salz. Sie unterstützt den delikaten Eigengeschmack des Lammfleischs hervorragend. Auch Worcestershiresauce war von Engländern kreiert worden. Sie wird zu Pasteten, Fisch und Gemüse gereicht. Die würzige Soße besteht aus Essig, Wein, Soja, Pfefferschoten, Melasse, Knoblauch, Ingwer, Chilis sowie anderen Zutaten und reift in Eichenfässern jahrelang heran. Das Original stammt übrigens von Lea & Perkins und nur eine beschränkte Anzahl von Mitarbeitern der englischen Traditionsfirma kennt die Rezeptur.
Küche der würzigen Soßen
Mit der Vielzahl erfundener Soßen beweisen Englands Köche, dass sie nichts mit Einheitssoße am Hut haben. Nichtsdestotrotz entstammen auch andere kulinarische Kreationen der englischen Küche:
Die Hafermehlsuppe Porridge hat in fettarmer Version gesundheitliche Vorzüge. Deftiger Haggis aus Schafsinnereien, würziger Cheddar Käse aus dem Schottischen oder der weihnachtliche Plum-Pudding mit vielen Rosinen und kandierten Früchten sind mittlerweile ebenso bekannt wie Steak and Kidney Pie, das als Blätterteigversteck für Rindfleisch zum englischen Nationalgericht avancierte. Urenglisch ist auch der Yorshire-Pudding, ein luftiges Gebilde aus Milch, Eiern, Schmalz und Mehl als Dessert oder als salzige Beilage.
Gebäck zum High Tea
Bei Gebäck gibt es viele britische Besonderheiten. Denn die typische tägliche Teezeremonie, seit 1840 auf der Insel zelebriert, verlangt nach Muffins als Hefeküchlein, Trifles als Biskuitkleinigkeiten, nach Scones mit Erdbeerkonfitüre und Schlagsahne oder nach Sandwiches. Erfunden hatte den Afternoon Tea wohl Queen Victorias Lieblingshofdame Anna, 7th Duchess of Bedford (1783–1857). Bis dahin war Tee nicht besonders beliebt unter den Engländern. „The Merry Monarch“ Charles II. schrieb um 1680: “We don''t drink tea in England. But maybe some ale will do?“
Würde auch ein Bier reichen?
Das hatte der König Katharina von Braganza empfohlen - begeistert war die portugiesische Infantin davon nicht.
Heute ist britisches Ale ein clever vermarktetes Traditionsbier. Es wird in vergleichsweise winzigen Brauereien produziert, ist nicht besonders lange haltbar und wird deshalb oft per Hand aus kleineren Holzfässern gepumpt. Ale beruht auf spätmittelalterlichen Traditionen und ist ein Getränk aus fermentiertem Malz ohne jeden Hopfenzusatz. Es wird als helleres Pale Ale oder starkes Old Ale getrunken. Selbstverständlich gut gehopftes englisches Beer dagegen ist oft überregionale Massenware, gegen die sich auf der Insel gerade die Kampagne „Campaign For Real Ale“ stemmt.
Englands Weinliebhaber trinken oft internationale Produkte, könnten aber auch auf geringe Mengen einheimischer Tropfen aus Wales und Südengland zurückgreifen. Als Offenbarung gelten diese Weine nicht und nach dem Entkorken verändert sich ihr Geschmack rasant, sodass beim ihrem Genuss eine gewisse Eile von Nöten ist.
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