Tintern Abbey

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Tintern Abbey

Tintern Abbey

Mystisch: Tintern Abbey scheint mit der Landschaft verwachsen zu sein.

Zwischen den malerischen Hügeln und Wäldern des Wye Valleys in Südwales ragen die düster-romantischen Ruinen von Tintern Abbey auf. Während an schönen Tagen leuchtende Sonnenflecken durch die hohen Fensterbögen wandern und sich auf dem weichen Grasteppich vorantasten, wohnt Tintern Abbey an düsteren, wolkenverhangenen Tagen etwas sehr Unheimliches inne. Könnten diese Mauern sprechen, spürt man, dann könnten sie schreckliche und tragische Geschichten erzählen.

Beinahe 1.000 Jahre reichen die Wurzeln dieses Ortes in die Vergangenheit zurück – und sieht man, wie die Mauern der alten Abtei mit der Landschaft verwachsen sind, scheint es wirklich angemessen, von Wurzeln zu sprechen. Gegründet wurde Tintern Abbey im Mai 1131. Knapp 70 Jahre zuvor hatte Wilhelm der Eroberer in Hastings die Herrschaft der Normannen über England begonnen und noch immer war das Land im Übergang begriffen. Erst drei Jahre war es her, dass in Waverly das erste Zisterzienserkloster Englands gegründet worden war, und nun wollte Walter de Clare dem großen Vorbild folgen.

Es erstaunt nicht weiter, dass die Mönche, denen Tintern Abbey zugeteilt wurden, aus Frankreich stammten. Sie kamen aus dem berühmten Kloster L’Aumône, das wiederum ein Ableger des berühmten Klosters Cîteaux war, dem Geburtsort des Ordens. Hier, in Tintern Abbey, sollten die Glaubensgemeinschaft Wurzeln schlagen und sich in England verbreiten. Der Plan ging auf und die Gemeinschaft wuchs mit großer Geschwindigkeit. Bald konnten sogar Töchterklöster in Gloucestershire und in Irland gegründet werden.

Tintern Abbey – das wohlhabendste Kloster in Wales

Aufwendige Details zeugen vom Reichtum von Tintern Abbey.

Tintern Abbey war ein Ort von Wohlstand und Reichtum, was sich auch in der Architektur der Abtei widerspiegelte. Von den ursprünglichen Gebäuden aus dem frühen 12. Jahrhundert ist heute jedoch nur noch wenig übrig, denn im Laufe der Jahrhunderte wurde der Bau immer wieder verändert und erweitert. Auch das spricht dafür, dass das Kloster über große finanzielle Spielräume verfügte. Wer heute durch die Ruinen von Tintern Abbey wandert, der sieht überwiegend Überreste aus dem späten 13. Jahrhundert, einer Epoche, die wohl als Blütezeit der Abtei angesehen werden kann.

Damals verfügte Tintern Abbey über erheblichen Landbesitz im Wye Valley und über einen mächtigen, reichen Förderer, Roger Bigod III., Lord von Chepstow. Mit seiner Unterstützung war es möglich, die neue gotische Kirche im sogenannten Decorated Style zu errichten. Die Fülle der Dekorationen, die möglichst alle Flächen und Bögen bedecken sollte, ist ein Hinweis nicht nur auf den vorherrschenden Zeitgeschmack, der von den Angelsachsen übernommen wurde, sondern auch auf den Wohlstand. Dieser sollte Tintern Abbey auch noch lange Zeit hold bleiben.

Selbst als es im 14. Jahrhundert zu Kämpfen zwischen Edward II. und seiner Königin Isabella kam und viele Waliser Klöster in die Kriegshandlungen verwickelt waren, konnte sich Tintern Abbey eine sichere Neutralität bewahren. Sogar als Edward hier 1326, als er auf den Thronanspruch verzichtet hatte, Schutz im Kloster suchte, blieb es verschont. Und auch die Pestepidemie von 1349 und die teilweise Zerstörung im 15. Jahrhundert überstand das Kloster – geschwächt zwar, aber nicht klein zu kriegen. Das lag sicher auch daran, dass die Statue der Heiligen Jungfrau Maria, die im Kloster aufbewahrt wurde, zahllose Pilger anzog, die wiederum Geld und Reichtum mitbrachten.

Im historischen Roman „The Secrets of Tintern Abbey“ von Gordon Masters bringt ein junger Mann seine kranke Mutter nach Tintern Abbey und erklärt Bruder Benedict dort, er habe eine lange Anreise auf sich genommen, um seine Mutter zum Schrein der Heiligen Jungfrau zu bringen, wohl wissend, dass es keine Garantie für ihre Heilung gibt und dass die Jungfrau einige Bittsteller heile und andere wiederum nicht. „Doch das ist in Ordnung für uns. Wenn es unserer Mutter nicht bald besser geht, wird sie sterben. Aber ob sie nun lebt oder stirbt, diese Münze ist als Geschenk unserer Mutter für die Heilige Jungfrau bestimmt.“ (frei übersetzt)

Das Ende und die Auferstehung von Tintern Abbey

Tintern Abbey war so bedeutend, dass in Irland ein gleichnamiges Tochterkloster eröffnet wurde.

Doch auch die Heilige Jungfrau konnte Tintern Abbey nicht vor dem schützen, was im 16. Jahrhundert, unter Heinrich VIII., geschah: Um seine neu gegründete Anglikanische Staatskirche zu festigen, deren Oberhaupt er war, ließ der König sämtliche Klöster des Landes auflösen, ihren Besitz verteilen und ihre Reichtümer in die königlichen Schatzkammern wandern. Am 3. September 1536 kam dieses Los auch auf Tintern Abbey, das von seinem letzten Abt, Abt Wyche, an den König übergeben wurde. Das war das Ende des vermögendsten Klosters in Wales, das daraufhin dem Verfall und dem Vergessen preisgegeben wurde. Jahrhunderte lang träumten die Burgruinen unbehelligt im Wye Valley vor sich hin – bis im 18. Jahrhundert die Romantiker Südwales für sich entdeckten.

Die malerische Landschaft hier bot den schwärmerischen Träumern alles, was ihre Sehnsucht begehrte und die mystischen Ruinen von Tintern Abbey setzten dem Ganzen die Krone auf. Zahlreiche Skizzen, Zeichnungen und Gemälde stammen aus dieser Zeit und zeigen einen verwunschenen, märchenhaften Ort, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Ganz in der Nähe fühlte sich William Wordsworth 1789 zu träumerischen Versen inspiriert, in denen er die Schönheit des Wye Valleys besang: „Once again/Do I behold these steep and lofty cliffs,/ That on a wild secluded scene impress/ Thoughts of more deep seclusion; and connect/ The landscape with the quiet of the sky.” Das Gedicht mit dem sperrigen Titel „Lines Composed A Few Miles Above Tintern Abbey, On Revisiting The Banks Of The Wye During A Tour. July 13, 1798” (kurz: “Tintern Abbey”) ist eines der bedeutendsten Werk der englischen Romantik und inspiriert noch heute Urlauber in Südwales zu einem Abstecher zu den malerischen Ruinen von Tintern Abbey.

Weitere Sehenswürdigkeiten Tintern Abbey

Tintern Abbey liegt im malerischen Wye Valley in Südwales, nördlich der Severn Bridge, die England und Wales über die Severnmündung hinweg verbindet. Sowohl der Dean Forest, in dessen Herz die Klosterruine liegt, als auch das gesamte Severntal sind landschaftlich sehr reizvolle Regionen, in denen es auch viel Historisches zu entdecken gibt. So kann man hier zum Beispiel dem Offa’s Dyke folgen, der vor 1.200 Jahren die Grenze zwischen Wales und England markierte. Zwar ist er bei Weitem nicht so deutlich zu erkennen, wie der Hadrians Wall in Nordengland, doch Wanderungen entlang dieser verwitterten Grenzlinie haben einen ganz besonderen Reiz.

Südlich von Tintern Abbey lockt die ehemalige römische Festungsstadt Caerleon mit ihrem sehr gut erhaltenen Amphitheater und den beeindruckenden römischen Bädern. Caerleon gilt als einer der möglichen Kandidaten für das Camelot von König Artus. Wenn Sie längere Zeit in Südwales bleiben, lohnen auch Cardiff und Swansea einen Besuch. Aktivurlauber wandern durch den nahe gelegenen Brecon Beacons Nationalpark und Geschichtsfreunde kommen in Monmouth, der Heimat von Geoffrey of Monmouth, auf ihre Kosten. Darüber hinaus erwarten Sie im Severn Tal Langgräber, Steinkreise und andere prähistorische Stätten, die einen Besuch wert sind.

Anreise Tintern Abbey

Sie erreichen Tintern Abbey über die A449, die von Newport aus gen Norden abzweigt. Von der Severn Bridge kommend, eröffnen sich rechter Hand der Dean Forest und das Wye Valley. Größere Städte in der Nähe sind Gloucester und Cardiff, über die Sie auch eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel haben. Eine direkte Busverbindung nach Tintern Abbey gibt es jedoch nicht. Wenn Sie ohne Auto unterwegs sind, fahren Sie von Cardiff aus mit dem Zug in Richtung Cheltenham nach Chepstow (ca. 40 Minuten) und nehmen Sie von dort aus ein Taxi. Alternativ können Sie wandern und dabei zugleich die landschaftliche Schönheit genießen: Von Chepstow aus sind es knapp 10 Kilometer (ungefähr 2 Stunden).



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