Hay-on-Wye

Aagje De Jong | Dreamstime.com

Hay-on-Wye

Hay-on-Wye

Bücher über Bücher in Hay-on-Wye

Hay-on-Wye ist ein einzigartiger, magischer Ort in Südwales, dessen Zauber nicht zwischen uralten Steinen und verwunschenen Hügeln liegt – sondern zwischen Buchdeckeln. Hay-on-Wye ist die erste Bücherstadt der Welt, ein Mekka für alle, die ohne das geschriebene Wort nicht leben können, ein Eldorado für Bücherwürmer und Leseratten, ein Paradies für Bücherfreunde und Träumer. Es ist die vermeintliche stille Welt hinter den Buchstaben, die jährlich Millionen Besucher in das kleine Grenzdorf lockt, in das man sich früher vermutlich nicht einmal versehentlich verlaufen hätte, eine Welt, die umso überraschender, abenteuerlicher und fesselnder ist, hat man sich erst einmal auf sie eingelassen.

Wer nach Hay-on-Wye kommt, der liebt Bücher. Und wer hier bleibt, der ist süchtig nach ihnen. Was wie ein geschickter Marketing-Schachzug daherkommt, ist in Wahrheit das, was ein Buchverkäufer im MERIAN-Heft „Wales“ als „eine Pflanze“ beschreibt, „die nie geschnitten“ wurde: „Sie wächst in ihrem eigenen Tempo.“ Die Buchhändler von Hay-on-Wye sind Überzeugungstäter, inspiriert von der Idee ihres Königs.

Richard Booth, der König von Hay-on-Wye

Dieser König, das ist Richard Booth, ein in Oxford ausgebildeter Waliser, der hier 1961 das erste Antiquariat gründete. Booth hatte eine Vision: „Ich kaufe Bücher aus aller Welt und hole damit Leute aus aller Welt nach Hay.“ Doch die Idee, die Richard Booth antrieb, mit einem Container voller Bücher aus New York nach Hay-on-Wye zu kommen, war viel größer. In dieser abgelegenen Regionen, die weder wirtschaftlich noch touristisch besonders viel zu bieten hatte und von Besuchern nur auf der Fahrt zu den landschaftlich aufregenden Regionen von Wales passiert wurde, sollte ein dichtes Netz an Antiquariaten und Büchern entstehen, in denen sich die Durchreisenden verfangen und einspinnen lassen sollten.

Und das Konzept ging auf: Die Buchliebhaber folgten dem Ruf von Richard Booths und ließen sich mit ihren Buchhandlungen in Hay-on-Wye nieder. Nicht die normalen Buchhändler, die in ihren Computern nach Antworten suchen müssen, sondern Menschen, die sich dem geschriebenen Wort mit Leib und Seele verschrieben haben, Menschen, die selbst Bücher in rauen Mengen verschlingen und die exzentrisch genug waren, einer neuen Idee Vertrauen zu schenken. Sie betreiben heute die herrlich schrullige Krimibuchhandlung „Murder & Mayhem“, „Rose’s Books“, und den „Hay Cinema Bookshop“, Antiquariate, in denen man die Zeit vergisst und einen steifen Hals bekommt, während man – den Finger an die alten Buchrücken gelegt – mit schiefem Kopf die Regale abläuft und den Verheißungen zwischen den Buchdeckeln lauscht.

Der besondere Zauber des Bücherdorfs Hay-on-Wye

Richard Boot's genialer Idee ist es zu verdanken, dass das ländliche Hay-on-Wye Weltruhm erlangte.

In Hay-on-Wye bekommen die Bücher ihre eigene Stimme, erlaubt man ihnen, das Wichtigste zu sein. Das Buch als Grundgut: Hier gibt es mehr Bücher zu kaufen als Lebensmittel. Das geht bei vergilbten Comic-Heften los und endet bei Sonetten und hoher Dichtkunst. Und selbst noch so eifrige Leseratten werden in Hay-on-Wye Schätze finden, nach denen sie niemals zu suchen gewagt hätten, Bücher, von denen sie noch nie gehört haben und deren Entdeckung einem wahren Triumph gleich kommt. Weit ab vom Druck der Neuerscheinungen landen hier Bücher, die bereits gelesen und geliebt wurden, Bücher, die bereits durch lesehungrige Hände gewandert, die bereits erlebt worden sind und die dadurch an Charakter und Charme gewonnen haben.

Glänzende Einbände sucht man in Hay-on-Wye vergeblich – das ist alles nur Fassade. Hier geht es um die Seele der Bücher. Solche Dinge kann man auch wirklich nur von einem Ort behaupten, dessen Einwohner so exzentrisch und leicht verschroben sind, wie Richard Booth es ist. Booth, der sich 1977 zum König von Hay-on-Wye erklärte, der auf seinem Pferd „Prime Minister“ zur Krönung erschien und sich an diesem ersten April von den Bewohnern des Ortes als ihr König bejubeln ließ. Und noch knapp 30 Jahre später lieben die Menschen von Hay-on-Wye ihren König, der inzwischen weit über 70 Jahre alt ist und gelegentlich in seinem legendären Buchladen Bücher signiert. An der detailverliebt gestalteten Fassade des Fachwerkhauses im bunten und herrlich kitschigen Ortskern heißt es „Richard Booth – Books Bought Anywhere in the World“.

Diese knarzende Schatzkammer ist heute der erste Anlaufpunkt für die 500.000 Touristen aus aller Welt, die jährlich nach Hay-on-Wye kommen. Doch auch die Einheimischen lieben jenen Ort, an dem die Geschichte des ersten Bücherdorfs der Welt begann. Sie sitzen in dem kleinen Café, das die neue Besitzerin Elizabeth Haycox hier inzwischen betreibt. Sie hat auch das kleine Kino zum Leben erweckt, das nach 30 Jahren endlich auch wieder Filme nach Hay-on-Wye bringt. Zwar liebt man hier das geschriebene Wort mehr als alles andere, doch es tut dem Charme des Ortes keinen Abbruch und ist eine willkommene Abwechslung, wenn man am Abend vollkommen ermattet ist von dem Angebot, das die mehr als 30 Buchläden führen. Dann kann man der eigenen Phantasie eine Pause gönnen, bevor man sich am nächsten Tag erneut in das Vergnügen des gedruckten Wortes stürzt.

Wer stattdessen etwas tiefer in die Geschichte des Ortes eintauchen möchte, der vor 1961 in einem Dornröschenschlaf lag, kann die Überreste der beiden normannischen Burgen und das Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert besuchen. Doch früher oder später wird der Ruf der Bücher wieder laut werden und man zieht sich in eines der Antiquariate zurück, stöbert und philosophiert mit den anderen Besuchern und den Bewohnern von Hay-on-Wye – und lässt die reale Welt außerhalb der Bücher und des Bücherdorfes weit zurück. Das ist der Zauber von Hay-on-Wye!

Weitere Sehenswürdigkeiten Hay-on-Wye

Zehn Tage im Jahr ist Hay-on-Wye um eine Attraktion reicher. Dann nämlich findet hier von Ende Mai bis Anfang Juni das Hay Festival of Literature & Arts, das Literaturfestival, statt. Bei seinem Besuch im Jahr 2001 bezeichnete der frühere US-amerikanische Präsident Bill Clinton das Festival als das „Woodstock des Geistes“ und trug damit der Euphorie Rechnung, die in diesen Tagen durch das Dorf geht.

Direkt außerhalb von Hay-on-Wye verläuft die Grenze zwischen Wales und England. In beide Richtungen gibt es interessantes zu sehen und zu erleben. Auf walisischer Seite lockt etwas weiter südlich der Brecon Beacons Nationalpark. Weiter westlich wartet die zauberhafte Cardigan Bay mit der lebendigen Universitätsstadt Aberystwyth auf und wird im Süden vom Pembrokeshire Coast National Park und im Norden vom Snowdonia National Park begrenzt. Im Süden sind Monmouth, Caerleon und Cardiff sehenswert. Auf englischer Seite ist Gloucestershire mit seinen prähistorischen Stätten einen Besuch wert.

Anreise Hay-on-Wye

Hay-on-Wye liegt direkt an der englisch-walisischen Grenze und kann von Osten aus am besten über die M50 erreicht werden, die von der M5 abzweigt, die Exeter und Bristol miteinander verbindet und sich bis nach Birmingham zieht. Über Hereford und die A438 gelangt man dann nach Hay-on-Wye. Von Cardiff aus kommend nehmen Sie die M4 und folgen dann der A4042 und der A465 nach Norden und in das Bücherdorf. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren Sie am besten nach Hereford und nehmen von dort den Stagecoach-Bus nach Brecon, der Hay-on-Wye passiert.



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