Forth Bridge

Tomáš Bureš | Dreamstime.com

Forth Bridge

Forth Bridge - Meisterstück schottischer Ingenieurskunst

Denken deutsche Urlauber an Schottland, kommen ihnen in der Regel als Erstes die Kilts, die atembaraubende Sehenswürdigkeiten in den Highlands und Dudelsäcke sowie natürlich der Whisky in den Sinn. Wer die landschaftlich so einzigartige Region bereits besucht oder sich eingehender mit dieser beschäftigt hat, erkennt auch schnell die großen Rollen, welche Meer und Küste für Kultur, Wirtschaft und Verkehr vor Ort spielen.

Die über 3.500 Kilometer lange und stark zerklüftete schottische Küste beeindruckt dabei durch Hunderte von Meeresarmen, die weit in das Landesinnere reichen. Der weltweit bekannteste unter den vielen, als „Loch“ (Meeresbucht) oder „Firth“ (Fjord) benannten Armen ist sicherlich der aufgrund der legendären Sagengestalt „Nessie“ berühmte Loch Ness im „Great Glen“ bei Inverness im nordöstlichen Hochland. Doch auch der mit 80 Kilometer Länge und bis zu maximal 21 Kilometer Breite noch größere „Firth of Forth“ an der Südostküste bei Edinburgh in den „Council Areas“ (Grafschaften) East und West Lothian bietet Besuchern unvergessliche Impressionen und optische Eindrücke.

Wer hier bauen wollte, musste sein Handwerk verstehen

Durch die rauen geografischen Gegebenheiten in Schottland wurden dort bei der Planung und dem Bau von Verkehrswegen schon früh kreative und hohen Ansprüchen genügende Lösungen notwendig. Schottische Straßen und Schienenstrecken mussten sich schon vor Jahrhunderten nach dem schwierigen Gelände und meist steilen sowie unebenen Terrain richten. Eine spezielle Bedeutung kam und kommt in Schottland dabei seit jeher den Brücken zu.

Mit diesen lassen sich die vielen regional typischen hohen Schluchten, wilden Wasserwege sowie tiefen Täler gut, schnell und sicher überwinden, weshalb die ersten schottischen Steinbrücken zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtet wurden. Zu den ältesten und bis heute bestehenden schottischen Steinbrücken zählen etwa die „Brig o' Balgownie“ über den River Don in der Altstadt von Aberdeen aus dem 13. Jahrhundert, die „Abbey Bridge“ in Haddington (East Lothian) und die „Tullibody Old Bridge“ über den River Devon bei Tullibody (Clackmannanshire) aus dem 16. Jahrhundert. Historiker vermuten auch, dass es bei der Stadt Stirling am westlichen Ende des Firth of Forth in der Nähe von Edinburgh spätestens ab Mitte des 13. Jahrhunderts eine heute nicht mehr existierende steinerne Bogenbrücke über den Fjord gab.

Die Sehnsucht nach einer sicheren Brücke über die stürmische See

Deutlich jüngeren Datums, aber bei Weitem als bauliches Meisterwerk der Ingenieurskunst nicht weniger historisch bedeutsam, ist eine andere beeindruckende Brücke über den Firth of Forth in Schottland. Ihre Position verdankt die seit 1805 geplante, jedoch erst von 1882 bis 1889 erbaute „Forth Bridge“ einer natürlichen, ca. 2.5 Kilometer breiten Engstelle des Fjords zwischen den beiden Orten South und North Queensferry ca. 13 Kilometer westlich von Edinburgh.

Diese geringe Entfernung von Ufer zu Ufer nutzten wahrscheinlich schon die Römer zum Bau ihrer temporären Bootsbrücken aus bis zu 500 aufgereihten Booten im frühen 3. Jahrhundert. Einen regelmäßigen Fährverkehr über den Firth of Forth an gleicher Stelle gab es nachweislich ab dem 12. Jahrhundert, die hier häufig unruhige See machte die Überfahrten damals allerdings oftmals gefährlich bis unmöglich. Erste Pläne für den Bau einer permanenten Brücke über den Fjord gab es ab 1740. Nicht zuletzt die auf halber Strecke liegende kleine Felseninsel Inchgarvie, die der späteren „Forth Bridge“ als Standort für den mittleren Pfeiler dienen sollte, weckte den Ehrgeiz der Erbauer.

Erst die Möglichkeiten der industriellen Stahlerzeugung machen den Bau möglich

Die seinerzeit zur Verfügung stehenden Materialien (Holz, Stein) und Techniken machten aber die Konstruktion einer Brücke im tiefen und von starker Gezeitenströmung geprägten Wasser zunächst nicht realisierbar. Das änderte sich hingegen ab 1783, als der englische Metallurg und Unternehmer Henry Cort mit dem sog. „Puddling“ (Puddelverfahren) zur Umwandlung von Roheisen in härtbaren Schmiedestahl die Bereitstellung ausreichender Mengen von Stahl für lange Brücken ermöglichte. Somit kam es seit den 1880er Jahren in ganz Schottland zum Bau speziell von neuen Eisenbahnbrücken aus Stahl, die durch das sich damals rasant ausbreitende Verkehrsmittel notwendig geworden waren.

Ausschlag für die Errichtung der Forth Bridge gab deshalb letztlich die Eisenbahnstrecke von Edinburgh über Dundee bis nach Aberdeen, deren Bedeutung als Transportweg für Güter und Waren in der erstärkt einsetzenden Industrialisierung der Epoche stark gestiegen war. Die für ihre Zeit wegen der Länge und innovativen Form einiges internationales Aufsehen erregende Auslegerbrücke mit neuartigen Gerberträgern wurde bereits in der Bauphase von vielen ausländischen Herrschern sowie Beamten besichtigt. Die Forth Bridge galt in der Folge als gelungenes Modell für Eisenbahnbrücken in Europa und auf der ganzen Welt und war seit ihrer Eröffnung 1890 bis zum Bau der Québecbrücke im Jahr 1919 diejenige Brücke mit der weltweit größten Spannweite.

Mit der Brücke rückten England und Schottland schlagartig ein Stück näher

An die 5.000 Arbeiter und Ingenieure vorrangig aus der nahen schottischen Hauptstadt Edinburgh waren beim Bau der Brücke aus insgesamt ca. 54.000 Tonnen Stahl sowie 6,5 Millionen Nieten aus einem Werk von Siemens in Landore (Wales) sowie Motherwell und Glasgow in Schottland beteiligt. Die großen Mengen Granit für die Fundamente der Pfeiler stammten hauptsächlich aus den Steinbrüchen rund um Aberdeen.

Der Sand aus der Umgebung der westschottischen Küstenstadt Arbroath (Angus) und der Zement aus dem südenglischen Medway (Kent) wurden mit Schiffen und Güterzügen zur riesigen Baustelle am Firth of Forth gebracht. Durch die neue Verbindung über den Fjord verringerte sich die Fahrtzeit von London nach Aberdeen von ca. 13 auf nur noch 8,5 Stunden. Als Teilstück der „East Coast Main Line“ wurde die Brücke auch durch das zwischen konkurrierenden Eisenbahngesellschaften von 1895 bis 1900 ausgetragene „Race to the North“ bekannt. Die deutschen Bomberangriffe auf die Brücke und die nahe Marinebasis samt Hafen in Rosyth im Oktober 1939 überstand die Forth Bridge nahezu unbeschadet.

Heute ist die Brücke ein durch viele Filme in ganz Großbritannien berühmter Bau

Schon damals diente die Brücke als Filmkulisse, sie tauchte in den beiden Fassungen von Alfred Hitchcocks Spielfilm „The 39 Steps“ von 1935 und 1959 auf. Im vom britischen Militär gedrehten Propagandafilm „Squadron 992“ (1939) wurde das imposante Bauwerk nach den Angriffen als intakt und stabil präsentiert. 1961 war sie in einer Szene der Filmreihe „Carry-on“ („Nicht so toll, Süßer/Carry On Regardless“) zu sehen. 2005 ließ die „BBC“ die Forth Bridge für die Wohltätigkeitsorganisation „Comic Relief“ mit roter Beleuchtung hell erstrahlen. Im selben Jahr zeigte „Channel 4“ in der Sendung „Jump Britain“ den französischen Kletterer Sébastien Foucan auf den höchsten Punkten der Brücke balancierend.

Ausführlich gezeigt und gewürdigt wurde die Brücke darüber hinaus in der Dokuserie „Britain's Greatest Bridges“ auf dem Sender „Spike UK“ im Januar 2017. Bereits 1998 trug die Forth Bridge eine Uhr zum Countdown für das Jahr 2000. Unter dem Namen „Kincaid Bridge“ wird sie im Computerspiel „Grand Theft Auto: San Andreas“ von 2004 dargestellt. Eine Hauptrolle spielt sie in der Novelle „The Bridge von Iain Banks aus dem Jahr 1986. Seit dem Jahr 2015 gehört das Bauwerk zum UNESCO-Weltkulturerbe in Schottland.



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16.10.2023

laura aus deutschland

5,0

sehr gut

informativ und übersichtlich


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