Abbotsford House

Juliane Jacobs | Dreamstime.com

Abbotsford House

Abbotsford House

Abbotsford House mutet an wie ein Märchenschloss.

So wie Sir Walter Scott der Inbegriff der britischen romantischen Literatur ist, so ist sein Heim, Abbotsford House, noch heute Inbegriff der romantischen Architektur in Schottland. Eine ganze Stilrichtung ist nach diesem prachtvollen Herrenhaus benannt, der Abbotsford-Stil mit seinen kunstvoll geschnitzten Eichenmöbeln, Erkern, Zinnen, Türmchen und Giebeln, die unser Bild der viktorianischen Epoche so nachhaltig geprägt haben. Ist es da ein Wunder, dass Sir Walter Scott in dieser Umgebung einiger der romantischen Romane schrieb, die ihn zu einem der meistgelesenen Autoren seiner Zeit machten?

Am Südufer des Flusses Tweed gelegen bietet Abbotsford House einen wirklich herrschaftlichen Anblick. Scott selbst steckte sehr viel Liebe in den Bau dieses prächtigen Hauses, das einst nicht mehr als ein Bauerngehöft war. Doch auch das ist ganz im Sinne der Romantik, einer Epoche, die geprägt war von der Sehnsucht nach der Rückkehr zur Natur, zum einfachen, bodenständigen Leben im Einklang mit der Umwelt.

Man sehnte sich in der zunehmend rationalisierten Welt des technischen Fortschritts und der Industrialisierung nach der Einheit mit der Natur und zog sich dafür an symbolische Orte in einer heilen, ursprünglichen Landschaft zurück. Abbotsford House war für Sir Walter Scott ein solcher Ort. Inspiriert von Kloster-Ruinen und märchenhaften Schlössern, die ebenfalls Sehnsuchtsmotive der Romantiker waren, baute er das alte Bauernhaus in jenes romantisch verträumte Herrenhaus um, das wir heute kennen. Und selbst der Name, Abbotsford House, trägt dieser Sehnsucht Rechnung: Es ist nach den Äbten benannt, die einst in Melrose lebten.

Abbotsford House: Märchenschloss von Sir Walter Scott

Von weitem mutet Abbotsford House an wie ein Dornröschenschloss und auch im Inneren bleibt dieser Eindruck erhalten: Hinter den dicken Mauern mit ihren Zinnen und Türmchen erwarten den Besucher erlesene Skulpturen aus schottischen Burgruinen und alten Abteien, zahllose Antiquitäten, Relikte und Kuriositäten, die es scheinen lassen, als schwebe Abbotsford House irgendwo zwischen den Zeiten. Eine große Bibliothek, die einem Dichter und Schriftsteller wie Sir Walter Scott angemessen ist, komplettiert das Ensemble des Hauses.

Der deutsche Schriftsteller Theodor Fontane, der Scott inniglich verehrte, kritisierte diese wilde Kombination kleiner Schätze bei seinem Besuch in Abbotsford House: „Der ganze Bau übernimmt wider Willen die Beweisführung, dass sich‚ eines nicht für alle schickt‘ und dass die Wiederbelebung des Vergangenen, das Ausschmücken einer modernen Schöpfung mit den reichen poetischen Details des Mittelalters auf einem Gebiete bezaubern und hinreißen und auf dem andern zu einer bloßen Schnurre und Absonderlichkeit werden kann. Diese Romanze in Stein und Mörtel nimmt sich, um in dem Vergleiche zu bleiben, den der Dichter (Scott) selbst gewollt hat, nur etwa aus, als habe er in einem seiner Schreibtischkästen hundert hübsche Stellen aus allen möglichen Balladen gesammelt, in der bestimmten Erwartung, durch Zusammenstellung solcher Bruchstücke eine eigentliche Musterromanze erzielen zu können.“

Die meisten Besucher von Abbotsford House teilen Fontanes Meinung heute nicht. Sie sind bezaubert von dem, was sich als perfekte Film- oder Romankulisse ausnimmt und gefangen von der Vorstellung, dass Sir Walter Scott hier an seinen ganz großen Romanen schrieb. Nachdem das Gebäude 1824 fertiggestellt worden war, hier „Die Erzählungen der Kreuzfahrer“, „Woodstock oder: Der Ritter. Eine Erzählung aus dem Jahre sechszehnhundert ein und fünfzig“, „Die Chronik von Canongate“, „Anna von Geierstein oder: Das Nebelmädchen“, „Graf Robert von Paris“ und „Das gefährliche Schloss“.

Es war eine Zeit höchster Produktivität, schließlich hatte sich Scott beim Bau von Abbotsford House hoch verschuldet, doch die Jahre seiner bekanntesten Werke – „Ivanhoe“, „Rob Roy“, „Waverley“ und „Das Herz von Mid-Lothian“ – lagen bereits hinter ihm. Dennoch ist Abbotsford House für Literatur-Freunde in Schottland ebenso ein Muss wie für alle, die sich an außergewöhnlicher Architektur, umrahmt von einem wunderschönen, verwunschenen Garten, erfreuen können. An Abootsford House ist alles exzentrisch und besonders und unweigerlich spürt man die große Sehnsucht der Romantiker nach einer alten und besseren Zeit – ganz gleich, ob sie auch nur im Entferntesten mit unserer Vorstellung Ähnlichkeit hatte oder nicht.

Weitere Sehenswürdigkeiten Abbotsford House

Unweit von Abbotsford House, in Melrose Abbey, soll das Herz von Robert the Bruce begraben sein.

Abbotsford House liegt nahe des Städtchens Melrose in den Scottish Borders. Die sanfte Hügellandschaft wird vom Tweet durchschnitten und lädt zum Spazieren und Wandern ein. Wem eher der Sinn nach historischen Sehenswürdigkeiten steht, der wird schon in Melrose selbst fündig.

In der Melrose Abbey soll das Herz von Robert the Bruce begraben sein, jenem König Robert I., der einst mit William Wallace („Braveheard“) für die Freiheit Schottlands kämpfte. Sehenswert sind außerdem die Überreste des römischen Kastells Trimontium und Dryburgh Abbey. Die Geschichten, Sagen und Legenden dieses Landstrichs reichen aber noch viel weiter in die Vergangenheit zurück.

Die nahegelegenen Eildon Hills sollen jener Ort sein, an dem König Artus begraben ist – oder, wenn man der Legende glaubt, schlafend auf seine Wiederkehr wartet. Orte wie diese gibt es in Großbritannien überall. Von jedem Hügel wird behauptet, Artus läge dort, doch es lässt sich nicht leugnen, dass den Borderlands eine besondere Magie innewohnt, die sicher nicht zuletzt auch in in ihrer historischen Brisanz liegt. Wie viel Blut wurde hier vergossen, wie verzweifelt gekämpft? König Artus könnte also sehr wohl hier begraben sein, nachdem er seine britischen Landsmänner in den Kampf gegen die Invasoren geführt hatte und dabei gefallen war. Die Überreste einer Hügelfestung des Votadini-Stammes datieren etwa aus dieser Zeit und auch der Hadrians Wall ist nicht weit entfernt, der die Grenze zwischen dem damals piktisch-keltischen Schottland und dem letzten Außenposten des römischen Reichs markierte und noch heute als Grenzlinie zwischen England und Schottland gilt. All das können Sie sehen, wenn Sie Abbotsford House einen Besuch abstatten.

Anreise Abbotsford House

Abbotsford House liegt zwei knapp 4 Kilometer westlich von Melrose und ist von dort über die B6374 und die A 6091 zu erreichen. Melrose wiederum liegt an der A 68, die Newcastle upon Tyne mit Edinburgh verbindet, also an einer der Hauptachsen im Süden von Schottland. Sowohl Edinburgh als auch Newcastle verfügen über Flughäfen, die Sie von Deutschland aus anfliegen können und auch Glasgow ist – über die M8 und die A68 – gut zu erreichen. Wer mit dem eigenen Auto kommt, nutzt die Fährverbindungen nach Newcastle upon Tyne und legt dann die 125 Kilometer nach Melrose in knapp 2 Stunden zurück. Dabei passieren Sie auch den landschaftlich sehr reizvollen Northumberland National Park, dem Sie durchaus einen Besuch abstatten sollten, wenn Sie auf dem Weg nach Abbotsford House sind.



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